Ja! Ich bin auch ein Mensch! Über Einsatzkräfte auf unseren Straßen

Psychologie, Verhalten, Gespräch


Viele Männer und Frauen sind täglich unterwegs auf den Straßen und retten Leben. Dafür haben sie unseren Dank, unsere Anerkennung und unseren Respekt verdient! In ihren Einsätzen riskieren sie auch ihre eigene Gesundheit – nicht nur die körperliche, sondern auch manches Mal ihre seelische Gesundheit. Das wissen viele nicht. Woher auch?

Körperliche Schäden oder Verletzungen sind leicht vorstellbar und vielleicht sogar sichtbar. Wie aber zeigen sich seelische Verletzungen? Wen können sie betreffen? Sind manche Menschen mehr / manche weniger anfällig? Sind Männer robuster als Frauen?

Welcher Schmerz ist „legitim“? Warum kommt es vor, dass man manchmal von „Bildern“ regelrecht „überfallen“ wird - von Bildern, die doch längst der Vergangenheit angehören müßten? Warum kann es vorkommen, dass auch „ganz normale Menschen“ in bestimmten Situationen plötzlich „wie gelähmt“ sind?

Die Frauen und Männer, die auf den Straßen unterwegs sind, setzen ihre besonderen Fähigkeiten ein, um zu helfen und tun täglich ihr Bestes. Wir brauchen sie. Jede/r von ihnen ist einzigartig und jede/r hat eine eigene Geschichte.

Manches von dem, was Rettungskräfte sehen, beansprucht in hohem Maße die menschliche Seele. Die Konfrontation mit dem Schmerz von Leidenden, vielleicht mit grausam verstümmelten Körperteilen, der Umgang mit Entsetzen und Panik; die Konfrontation mit möglicher eigener Hilflosigkeit und Überforderung angesichts unübersichtlicher Situationen.... und „es trotzdem immer wieder zu schaffen“; immer wiederkehrend auch Gefahr für das eigene Leben; vielleicht sogar Schuldgefühle, „nicht gut genug“ gewesen zu sein – das alles sind Umstände und Gefühle, die aufkommen können während und nach Einsätzen. Die sich manchmal nicht vermeiden lassen. Und die jeden in vergleichbaren Situationen betreffen können.

Wenn der Druck überwältigender Erlebnisse nicht „innerlich aufgelöst“ werden konnte, dann wirken diese „nach“ in der Seele, kosten Kraft und – im wahrsten Sinne des Wortes: „den Seelenfrieden“.

Wie kann sich dieser verlorene Seelenfrieden äußern?

  • „übertriebene“ Schreckhaftigkeit, Nervosität, Gereiztheit; verringerte Fähigkeit, mit Stress umzugehen
  • „man kommt nicht mehr runter“: Herzrasen, erhöhter Puls...
  • Konzentrationsstörungen, Vergeßlichkeit
  • „Flashbacks“ (immer wieder auftauchende plötzliche „Bilder“ vergangener Ereignisse)
  • Schlafstörungen, chronische Müdigkeit...
  • körperliche Schmerzen (Rücken, Nacken etc.)
  • Störungen bei der Verdauung
  • starke negative Gefühle, z.B. Wut oder Panik etc.

Manch einer sagt sich innerlich: aber ich muss doch stark sein! Oder: das ganze Reden bringt doch nichts-...

Momente von „Schwäche“ sind vollkommen normal und gehören zum „Mensch-Sein“... Und was manche nicht wissen: unter starkem Stress kommt es zu einer verminderten Tätigkeit der linken Gehirnhälfte. In dieser allerdings sitzen das Sprachzentrum sowie andere analytische Fähigkeiten des Gehirns. Kein Wunder also, dass bestimmte Belastungen nicht so gut „mit Sprache“ zu erreichen sind – denn sie werden in anderen Gehirnbereichen abgespeichert, die ohne Sprache, mehr in Form von Bildern sowie auch mit emotionalen Verknüfungen arbeiten.

Manche Menschen merken nicht sofort, wenn etwas „nicht mehr so richtig stimmt“. Manche haben nicht gelernt, auf „die Botschaften ihres Körpers zu hören“. Manchmal dauert es eine Weile, bis sich Symptome zeigen oder bis der Körper „so richtig aus dem Tritt geraten ist“... Spätestens aber dann, wenn der Körper deutliche Signale gibt, sollten wir diese auch ernst nehmen. Denn körperliche Signale sind immer ein Hinweis darauf, wo „noch Heilung benötigt wird“ und dass „das System“ wieder „heil werden“ will. Dabei sollten wir es immer unterstützen.

Wir haben es ganz bestimmten Männern zu verdanken, dass Symptome wie die oben beschriebenen inzwischen als Folge von traumatischen Erfahrungen anerkannt sind. Dies waren Männer, die nach der Rückkehr aus dem Krieg in Vietnam psychische und körperliche Störungen entwickelt hatten und sich mit diesen Folgen alleine gelassen fühlten. Damals haben sie sich organisiert und die Anerkennung dessen, was ihnen widerfahren war, durchgesetzt. Als Folge wurden diese Symptome auch in offizielle diagnostische Manuale aufgenommen. Im Laufe der kommenden Jahre wurde weitergehend anerkannt, dass diese Symptome nicht nur auf ehemalige Soldaten zutreffen können sondern auf alle Menschen. Auf alle Menschen incl. Frauen und Kindern, die überwältigende, lebensbedrohende Situationen erfahren – und überlebt – haben.

Die Wissenschaft kann inzwischen viel erklären: z.B., dass grundlegende Stressverarbeitungs-Mechanismen bei allen Menschen gleich funktionieren und ablaufen. Kommt hinzu, dass der Körper automatisch agiert, ohne dass wir ihn dabei steuern könnten. Dies dient dem Schutz unseres Systems und muss automatisch ablaufen... Die nachfolgende Selbstregulation unseres Systems verläuft leider nicht immer „automatisch“ – je eher wir hier „nachhelfen“, umso weniger kann sich „anhäufen“. Und falls es vorkommt, dass sich Symptome erst nach einer gewissen Zeit zeigen... dann ist dies nicht ungewöhnlich. Eine Suche nach einer weiter zurückliegenden Ursache kann sich durchaus lohnen.

Das Ziel hier sollte immer sein: sich selbst aufmerksam wahrnehmen - und ernst nehmen. Besser „vorsorgen“ - als später unnötig „zu leiden“!

Und noch eins hat die Wissenschaft erkannt: wir beinflussen unsere Nachkommen und unser Umfeld. Deshalb ist es umso wichtiger, dass mögliche Betroffene von traumatischen Erlebnissen sich vor möglichen Folgen für die Seele schützen und optimal gesund bleiben. Dies wiederum hat positive Auswirkungen auf unsere Mitmenschen - und unsere Kinder!

Warum es heilsam sein kann, wenn wir und unsere Umwelt verstehen, wie die menschliche Stressverarbeitung und unser Gehirn funktionieren – und weshalb es sinnvoll ist, uns selbst mit Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Fürsorge zu begegnen – darum geht es u.a. in meinen Fortbildungen zur Trauma-Thematik.


Letzte Änderung: 07.10.2018

Doll-Hartmann Heilpraktikerin Friedberg

Heilpraktikerin Diplompädagogin Cynthia Doll-Hartmann
61169 Friedberg

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