Leben mit dem Rollstuhl: Tipps für einen leichteren Alltag

Aus der Kategorie ein Expertenbeitrag Coaching, Beratung

Wer im Rollstuhl sitzt, kann den Eindruck gewinnen, dass die Welt für Fußgänger gemacht ist. Wer nicht gehen kann, hat das Nachsehen. Tatsächlich müssen sich Menschen im Rollstuhl zahlreichen Herausforderungen stellen. Sei es, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel schwierig bis unmöglich ist oder das Mitfahren im Auto der Kollegin zu einer echten Schwierigkeit wird. Enge Durchgänge, zu schmale Türen, zu scharfe Kurven, unüberwindbare Treppen – was für Fußgänger kein Problem ist, kann Menschen im Rollstuhl den Mut nehmen. Dieser Beitrag soll als Hilfestellung dienen, damit der Alltag im Rollstuhl leichter und sicherer wird.

Natürlich ist das Bild eine Fotomontage, doch es repräsentiert die unausgesprochene Wahrheit, die auf zahlreichen öffentlichen und privaten Flächen Realität ist.
Bild: Natürlich ist das Bild eine Fotomontage, doch es repräsentiert die unausgesprochene Wahrheit, die auf zahlreichen öffentlichen und privaten Flächen Realität ist.

Von Menschen im Rollstuhl für Menschen im Rollstuhl

Stufen, Schwellen, Teppiche, Bordsteine, Gefälle, Kopfsteinpflaster und schlechtes Wetter mit Eis und Schnee erschweren den Umgang mit dem Rollstuhl. Hindernisse, die Menschen im Rollstuhl buchstäblich ausbremsen, werden von Fußgängern oft gar nicht wahrgenommen. Die folgenden Tipps ergeben sich aus den Erfahrungen von Rollstuhlnutzern und sind praxiserprobt.

Im Haus

Stufen werden im eigenen Heim häufig direkt am Eingang zum Problem. Enge Treppenhäuser mit vollgestellten Treppenabsätzen behindern eigentlich jeden, doch besonders Menschen im Rollstuhl. Türschwellen, auch wenn sie nicht besonders hoch sind, können ebenfalls Schwierigkeiten bereiten. Wie lassen sich Stufen und Schwellen am besten überwinden?

Rampen
Eine feste oder mobile Rampe für den Rollstuhl ist eine ideale Lösung für Schwellen, Stufen und andere Hindernisse. Die Vielfalt ist groß. Es gibt ausziehbare Teleskoprampen, klappbare Flächenrampen oder feste Modelle – um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Je nach Wohnsituation lassen sich die Rampen dauerhaft installieren oder nur bei Bedarf einsetzen. Tipp: Variabel einsetzbare Rampen eignen sich auch, um den Einstieg ins Auto zu erleichtern.

Treppenraupen

Treppenraupen machen mobil, sie können nicht nur zu Hause, sondern auch anderswo eingesetzt werden. Besonders gut sind sie für aktive Rollstuhlfahrer geeignet, da sie unabhängig von Begleitpersonen eingesetzt werden können. Der Rollstuhl wird über dem Gerät platziert. Die Raupe nimmt Rollstuhl mit Rollstuhlfahrer „Huckepack“ und das Gespann bewegt sich langsam treppauf oder treppab. Ausgestattet mit selbsthemmendem Schneckengetriebe steht die Sicherheit ganz oben.

Lifterplattform

Eine Lifterplattform funktioniert so, dass der Rollstuhl auf die gesicherte Plattform fährt und die Plattform samt seiner Fracht den Höhenunterschied überwindet. Tipp: Die Plattform darf nicht zu klein bemessen sein, denn falls in einigen Jahren ein größerer Rollstuhl eingesetzt wird – zum Beispiel beim Umstieg von einem handbetriebenen auf einen elektrischen - könnte es zu echten Schwierigkeiten bei der Benutzung kommen.

Sitzlift/Treppenlift

Steht weniger Platz zur Verfügung, kann ein Treppenlift den Höhenunterschied überwinden. Es gibt Modelle, die die Mitnahme eines zusammengeklappten Rollstuhls ermöglichen. Nutzer benötigen unter Umständen ein Rutschbrett für den Umstieg.

Treppensteiger

Treppensteiger sind manuelle Hilfen für Begleitpersonen, die Menschen in einem von Hand betriebenem Rollstuhl die Treppen herauf oder herunterbefördern. Der Umgang damit muss aber unbedingt erlernt werden, da andernfalls das Risiko besteht, dass die Person aus dem Rollstuhl stürzt.

Überbrückungshilfen

Bei kleineren Schwellen im Wohnbereich oder draußen im Garten können mobile Überbrückungshilfen den Schrecken nehmen. Sie verdecken die Schwelle und bieten eine längere und weniger steile An- und Abfahrt über das Hindernis hinweg.

Fahrtricks und -technik

Die Handhabung des Rollstuhls spielt bei Schwellen ebenfalls eine große Rolle. Beim Überwinden von kleinen Schwellen, wie zum Beispiel vom Wohnbereich auf die Terrasse oder zwischen Zimmern, können diese Tipps helfen:

  • Gerade anfahren – Elektrische Rollstühle haben oft kaum Probleme mit kleineren Schwellen, allerdings ist gerades Heranfahren sehr hilfreich. Der steile Winkel verhindert das Abrutschen. Für manuelle betriebene Rollstühle ist ebenfalls üben angezeigt, denn es bedarf eines gewissen Schwungs, um gut über die Schwelle zu kommen. Echte Könner, die sich etwas trauen, üben die Handhabung des Rollstuhls auf zwei Rädern. Sie heben die vorderen beiden kurz an und ziehen dann mit Schwung die hinteren beiden darüber.
  • Größere Vorderräder – Sind die Räder vorne größer als üblich, ist die Schwelle leichter zu überwinden. Allerdings bedeutet das auch, dass die Wendigkeit eingebüßt wird. Je größer der Durchmesser, desto mehr Platz wird zum Rangieren benötigt.
Rollstuhlfahrerin bei Sport

Beim Sport lernt sich der Umgang mit einem Rollstuhl sehr gut. Dieses Können hilft auch im Alltag.

Außer Haus im öffentlichen Raum

Während es drinnen in der eigenen Hand liegt, müssen sich Rollstuhlfahrer draußen oft auf fremde Hilfe verlassen. Die Alternative heißt oft: kein Zutritt. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern diskriminierend. Ein positives Beispiel präsentiert die Stadt Wesel. Sie verfolgt das Konzept „Barrierefreie Stadtgestaltung“, um Gehbehinderten und Rollstuhlfahrern den Alltag zu erleichtern. Menschen im Rollstuhl sollten ihre Rechte einfordern, sich aber auch bestmöglich selbst helfen.

Behindertenbeauftragen informieren

Bordsteinabsenkungen gibt es zwar schon viele, aber oft fehlen sie an entscheidenden Stellen. Wer in der eigenen Gemeinde mit zu hohen Bordsteinen konfrontiert wird, sollte den Kontakt zum Behindertenbeauftragten nicht scheuen. Dieser kann viel tun, um den Missstand zu beseitigen.

Aktivrollstuhl nutzen

Ein Aktivrollstuhl braucht zwar ein wenig Übung für die richtige Handhabung, er verschafft aber ein höheres Maß an Freiheit. Wenn man in der Lage ist, den Rollstuhl auf nur zwei Rädern zu fahren, erweitert den eigenen Bewegungsradius enorm. Tipp: Wer mit Unterstützung eines Sportphysiotherapeuten trainiert, lernt auf spielerische Art und Weise den sicheren Umgang mit einem Aktivrollstuhl. Muskeln werden gekräftigt und die Koordination geschult, das ist unverzichtbar für den richtigen Umgang.

Luftbereifung und verstärkte Gabeln

Verstärkte Gabeln sind bei der Nutzung von Rollstühlen hilfreich, die einen elektrischen Zusatzmotor aufweisen. Fehlen verstärkte Gabeln, könnte es zum Sturz kommen, wenn der Bordstein direkt angefahren wird. Luftgefüllte Räder sind eine weitere Hilfe, wenn im Alltag mit einem elektrischen Rollstuhl immer wieder Bordsteine zu überwinden sind.

Tipp: Der Luftdruck sollte regelmäßig kontrolliert werden. Das gilt insbesondere für übergewichtige Personen, die einen Rollstuhl mit Schiebehilfe nutzen. Wenn die Bereifung nicht pannensicher ist, kann es andernfalls dazu kommen, dass die Bereifung abspringt. Ein Sturz kann die schlimme Folge sein.

Große Räder nutzen

Die einfachste Möglichkeit zur Überwindung von Bordsteinen stellen große Räder dar. Doch große Räder bedeuten auch eine verringerte Wendigkeit. Im Innenbereich kann es deshalb zu Einschränkungen kommen.

Neben diesen Tipps gibt es sicherlich noch weitere Tricks, die im Alltag helfen können. Oft ist es bereits hilfreich, wenn man bestimmte Dinge weiß und sich danach richtet. Dazu gehören zum Beispiel diese Dinge:

  • Auf Kopfsteinpflaster braucht es die richtige Federung, um sicher und bequem zu fahren. Außerdem ist es sinnvoll, sich langsam fortzubewegen.
  • Bei Steigungen und Gefälle ist der Hinterradantrieb sicherer als der Vorderradantrieb.
  • Eine Sitzkantelung bei einem Vorderantrieb verringert die Kopflastigkeit des Rollstuhls.
  • Ein Vierradantrieb bewältigt Steigungen ideal und ist auch auf Schotter oder Schnee die beste Wahl.
  • Über Sand, Schnee und Eis zu fahren ist am besten zu vermeiden, denn viele Versicherungen schließen eine Haftung bei einem Unfall aus.

Bilder: pixabay.com © geralt (CC0 Creative Commons)
pixabay.com © pexels (CC0 Creative Commons)


Letzte Änderung: 19.08.2020

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