Krise als Chance
Griechisch heißt Crisis: Krise, Entscheidung, Scheidung, Zwiespalt, Trennung, Urteil, Wahl und Erprobung. Chinesisch: Gefahr und Chance. Karl Jaspers: (zitiert nach Dahlke, Lebenskrisen, S.l9): “Im Gang der Entwicklung heißt Krisis der Augenblick, in dem das Ganze einem Umschlag unterliegt, aus dem der Mensch als ein Verwandelter hervorgeht, sei es mit neuem Ursprung eines Entschlusses, sei es im Verfallensein.”
Eine Krise versucht immer, verdecktes, dem Bewußtsein bisher unerreichbares Material, offen zu legen. Oftmals werden die Themen symbolisch angezeigt.
Zu diesem Zweck ruft eine Krise abgespaltene, bisher weitgehend fremde Persönlichkeitsanteil auf den Plan, welche zu größter Irritation Anlaß geben.
Meistens werden diese Anteile zuerst im Außen, auf andere Menschen projiziert, erlebt.
Daher lösen meistens andere Menschen, z.B. Partner, Kinder, Geschwister, Eltern oder Kollegen/Chefs Krisen aus. Krisen sind häufig notwendig, um die äußerst schwierige Loslösung aus meist verdeckten Abhängigkeiten zwischen Eltern und Kindern oder anderen Partnern einer Beziehung zu ermöglichen.
Rilke, aus dem Stundenbuch:
O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.
Denn wir sind nur die Schale und das Blatt.
Der große Tod, den jeder in sich hat,
das ist die Frucht, um die sich alles dreht.
Eine Krise zwingt mich, mir die Frage zu stellen
Was muß ich jetzt sozusagen unter äußerem Zwang oder massivem Druck loslassen, was ich schon seit langer Zeit hätte angehen sollen, aber aus Gewöhnung oder Bequemlichkeit nicht angehen konnte und wollte.
Eine Krise will immer eine neue, vielleicht einst verloren gegangene oder noch gar nicht entfaltete Seelenkraft schicksalshaft auf den Plan rufen.
Eine Krise führt zu Wandlung: Tod und Neugeburt innerhalb der Persönlichkeit gehen mit dieser Transformation einher. Unter mehr oder weniger starken Geburtswehen wird das Alte verlassen und das Neue, noch Fremde, Unbekannte entdeckt und erobert.
Haydn Paul sagt in “Mysterien des 8.Hauses”:
Um Transformation und eine neues Leben zu erlangen, muß die begrenzte Individualität durch die Hingabe an einen höheren Willen erschüttert werden, indem sie Tod, Leere und innere Dunkelheit annimmt, bis auch der letzte Rest des Selbst aufgegeben wird und zu der Erkenntnis führt, daß “Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe”. Dieser Schritt wird als der überwältigende Wunsch nach Verschmelzung mit etwas Größerem als dem eigenen Selbst erlebt, indem sich der Mensch auf der Suche nach Wiedervereinigung mit dem universellen Mysterium im Vertrauen auf Unterstützung durch das Unbekannte überläßt.
Dabei gilt es zu bedenken, dass “eine echte Einweihung nie endet, sondern lediglich den Beginn eines neuen Prozesses darstellt, der ständige Erneuerung beinhaltet”.
UMGANG MIT KRISEN
1. Wahrnehmen der Krise!
Nicht über viele Jahre verdrängen, die Zeichen mißachten. Dazu gehört auch: der Krise ins Auge blicken, die Krise benennen, mit anderen darüber sprechen
2. Hilfe annehmen
Die meisten versuchen das Prinzip: Augen zu und durch. Das schaff ich schon allein.
Rechtzeitig Hilfe suchen! Sich nicht mit pauschalen oder banalen Ratschlägen abspeisen lassen. Eine Krise ist immer ein einmaliger, ganz individueller Prozeß, der wirkliche Tiefenarbeit verlangt. Damit sind oft auch Familienangehörige und Freunde überfordert.
3. Das Loslassen bewusst, z.B. rituell praktizieren
Herausfinden, was loszulassen ist und dieses dann mutig und bewusst loslassen. Dies verschnellert den Übergang erheblich!
4. Wiederholung dieser Übergangsprozesse/Geduld
Selten genügt bei einer tiefgehenden Krise ein wichtiger Schritt der Wandlung. Meistens gibt es drei oder noch mehr entscheidende Wendepunkte, welche verlangen, das Begonnene und Gelernte tiefgehend zu verankern, damit Rückfälle künftig möglichst vermieden werden.
5. Bewußtseinswandel: Das Leben nicht linear, sondern zyklisch verstehen!
Wird Wandel in bestimmten zyklischen Abständen als “normal” empfunden, wird auch das Umgehen mit Krisen selbstverständlicher. Dann wird z.B. eine Midlife-Crisis, etwa der Wechsel der Frau oder ein Geschehen wie Altersdepression z.B. nach der Pensionierung nicht mehr als Krankheit verstanden, sondern als bewusst zu vollziehender Übergang. Nicht nur linear auf eine jenseitige Paradiesvorstellung hinleben, sondern Glück, Friede, Erfüllung im Diesseits, zumindest phasenweise (wenn auch nicht als Dauerzustand) als möglich erleben!
6. Hingabe an eine irgendgeartete Sinnvorstellung des Lebens,
Entwickeln einer spirituellen Sichtweise des Seins!